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Zah­lungs­un­fä­hig­keit und Zah­lungs­sto­ckung — eine Begriffsabgrenzung

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

August 2012 

Die begriff­li­che Unter­schei­dung der (die Insol­venz­an­trag­s­plicht aus­lö­sen­de) Zah­lungs­un­fä­hig­keit von der (grund­sätz­lich fol­gen­lo­sen) Zah­lungs­sto­ckung bereitet nach wie vor Schwie­rig­kei­ten in der Praxis.

Aus Gesetz und Recht­spre­chung lässt sich die Defi­ni­ti­on von Zah­lungs­un­fä­hig­keit ableiten. Im Unter­schied zur deut­schen Insol­venz­ord­nung (§17 dInsO) enthält die IO keine akkurate Begriffs­be­stim­mung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit. Vom Gesetz­ge­ber wird dies mit der feh­len­den Not­wen­dig­keit und dem Hinweis auf die von der Lehre bereits aus­ge­ar­bei­te­ten Defi­ni­ti­ons­kri­te­ri­en begrün­det. Ein weiterer wesent­li­cher Grund für die offene For­mu­lie­rung liegt an der aus­blei­ben­den Ein­schrän­kung in der Rechts­ent­wick­lung und somit in der Auf­recht­erhal­tung der not­wen­di­gen Elas­ti­zi­tät im Einzelfall. 

Nach § 66 Abs 2 IO lässt sich ledig­lich fol­gen­der Hinweis ent­neh­men: „Zah­lungs­un­fä­hig­keit ist ins­be­son­de­re anzu­neh­men, wenn der Schuld­ner seine Zah­lun­gen ein­stellt.“ Ein Gläu­bi­ge­r­an­drän­gen ist laut § 66 Abs 3 IO keine Vor­aus­set­zung für den Insol­venz­tat­be­stand der Zah­lungs­un­fä­hig­keit. Folglich müssen nicht zwingend Mah­nun­gen, Klags­ein­brin­gun­gen oder Exe­ku­ti­ons­ti­tel vor­lie­gen. Gleich­zei­tig kann Zah­lungs­un­fä­hig­keit nicht durch teil­wei­se Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger aus­ge­schlos­sen werden. Anhän­gen­de Exe­ku­tio­nen oder außer­ge­richt­li­che Aus­gleichs­an­ge­bo­te können jedoch Indi­ka­to­ren für eine Zah­lungs­un­fä­hig­keit darstellen. 

Nach der Judi­ka­tur des OGH (GZ 3Ob99/10w mit Ent­schei­dungs­da­tum vom 19.01.2011) werden zwei Vor­aus­set­zun­gen für das Vor­lie­gen von Zah­lungs­un­fä­hig­keit genannt: 

1. „Zah­lungs­un­fä­hig­keit […] liegt vor wenn der Schuld­ner mehr als 5% aller fälligen Schulden nicht beglei­chen kann.“ Als Umkehr­schluss gilt, dass von Zah­lungs­fä­hig­keit des Schuld­ners aus­ge­gan­gen werden kann, wenn dieser in der Lage ist, zumin­dest 95% aller fälligen Schulden zu bezahlen. Für die Beur­tei­lung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit werden ledig­lich die bereits fälligen Schulden berück­sich­tigt. Die Zah­lungs­un­fä­hig­keit wird als „Zeit­punkt-Illi­qui­di­tät“ inter­pre­tiert und unter­schei­det sich somit von der dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit.

2. Zah­lungs­un­fä­hig­keit setzt zudem einen nicht bloß vor­über­ge­hen­des Zah­lungs­un­ver­mö­gen voraus: „Dem Anfech­tungs­geg­ner steht […] der Gegen­be­weis über das Vor­lie­gen bzw die Wahr­schein­lich­keit einer bloßen Zah­lungs­sto­ckung zum Anfech­tungs­zeit­punkt offen.“ Die Zah­lungs­un­fä­hig­keit unter­schei­det sich — durch das Kri­te­ri­um der Dauer des Nicht­zah­len­kön­nens — von der (insol­venz­recht­lich nicht rele­van­ten) Zahlungsstockung.

In der Recht­spre­chung (gleiche GZ s.o.) wird Zah­lungs­sto­ckung wie folgt defi­niert: „Eine Zah­lungs­sto­ckung liegt vor, wenn eine ex-ante-Prüfung ergibt, dass eine hohe Wahr­schein­lich­keit dafür bestand, dass der Schuld­ner in einer kurzen, für die Beschaf­fung der benö­tig­ten Geld­mit­tel erfor­der­li­chen […]Frist alle seine Schulden pünkt­lich zu zahlen in der Lage sein wird.“ Die OGH stellt dabei auf einen im Durch­schnitts­fall dezi­dier­ten Zeitraum von drei Monaten ab, in welchem bspw. Umschul­dun­gen vor­zu­neh­men sind, Ver­mö­gens­ob­jek­te verkauft werden oder Gesell­schaf­ter­dar­le­hen ver­ein­bart werden sollen. Das Über­schrei­ten des zeit­li­chen Höchst­ma­ßes bzw. eine längere Frist setzt die Besei­ti­gung des Liqui­di­täts­eng­pas­ses voraus. 

Die exakte Bestim­mung der zeit­li­chen Grenze zwischen einem kurz­fris­ti­gem und einem lang­fris­ti­gen Zah­lungs­un­ver­mö­gen ist dabei umstrit­ten. Die über­wie­gen­de Meinung geht von einer ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Ori­en­tie­rung an der jewei­li­gen Ver­kehrs­auf­fas­sung aus. (z.B. ist ein Wechsel i.d.R. unver­züg­lich zu bezahlen wohin­ge­gen mit manchen Lie­fe­ran­ten u.U. auch eine län­ger­fris­ti­ge Stundung ver­ein­bart werden kann.)

Bild: © B. Wylezich — Fotolia