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Manage­ment-Info — Archiv

Das Unter­neh­mens­re­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­setz (URG)

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

Dezember 2004 

Das Insol­venz­rechts­än­de­rungs­ge­setz 1997 (IRÄG 1997) hatte zum Ziel, Maß­nah­men zur Insol­venz­pro­hy­la­xe und ‑bewäl­ti­gung zu setzen. In Bezug auf Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten erfährt es eine Erwei­te­rung als ver­bind­li­ches Früh­warn­sys­tem, in dem an das Igno­rie­ren der nega­ti­ven Indi­ka­to­ren recht­li­che bzw. finan­zi­el­le Kon­se­quen­zen geknüpft sind. 

Das URG sieht vor, dass der Unter­neh­mer die Ein­lei­tung eines Reor­ga­ni­sa­ti­ons­ver­fah­rens bean­tra­gen kann, sofern Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­darf vorliegt. Ziel dieses Ver­fah­rens ist es, die Vermögens‑, Finanz- und Ertrags­la­ge des gefähr­de­ten Unter­neh­mens zu ver­bes­sern und dessen nach­hal­ti­ge Fort­füh­rung zu sichern.

:: Kri­te­ri­en für Reorganisationsbedarf

Ein Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­darf wird ins­be­son­de­re bei einer “vor­aus­schau­end fest­stell­ba­ren wesent­li­chen und nach­hal­ti­gen Ver­schlech­te­rung der Eigen­mit­tel­quo­te” (weniger als 8 %) und einer fiktiven Schul­den­til­gungs­dau­er von über 15 Jahren vermutet. 

  Eigen­ka­pi­tal zzgl. unver­steu­er­te Rücklagen
Eigen­mit­tel­quo­te in %=
  Gesamt­ka­pi­tal abzgl. Anzah­lun­gen auf Vorräte

  Net­to­ver­bind­lich­kei­ten
Fiktive Schul­den­til­gungs­dau­er in Jahren=
  Mit­tel­über­schuss

  Rück­stel­lun­gen
+ Ver­bind­lich­kei­ten
- Sonstige Wert­pa­pie­re
- Kassa, Schecks, Bankguthaben
- Anzah­lun­gen
 
= Net­to­ver­bind­lich­kei­ten
   
  Ergebnis der gewöhn­li­chen Geschäftstätigkeit 
- Steuern auf das EGT
+ Abschrei­bun­gen
+ Verluste aus dem Abgang von Anlagen
- Zuschrei­bun­gen zum Anlagevermögen
- Gewinne aus dem Abgang von Anlagen
+/- Ver­än­de­rung von Rückstellungen
 
= Mit­tel­über­schuss aus der gew. Geschäftstätigkeit

:: Ablauf des Verfahrens

Zur Ein­lei­tung des Ver­fah­rens muss der Unter­neh­mer glaub­haft machen bzw. anhand von Jah­res­ab­schlüs­sen belegen können, dass das Unter­neh­men nicht insol­vent ist und o.g. Kri­te­ri­en vor­lie­gen. In weiterer Folge ist ein ent­spre­chen­der Reor­ga­ni­sa­ti­ons­plan aus­zu­ar­bei­ten, der die Ursachen der wirt­schaft­li­chen Schief­la­ge des Unter­neh­mens sowie jene Maß­nah­men, die zur Ver­bes­se­rung der Ver­mö­gens- Finanz- und Ertrags­la­ge geplant sind, und deren Erfolgs­aus­sich­ten dar­stellt. Beglei­tet wird dieses Ver­fah­ren von einem durch das Gericht bestell­ten Reorganisationsprüfer. 

:: Kon­se­quen­zen

Wird ein Reor­ga­ni­sa­ti­ons­ver­fah­ren trotz Vor­lie­gens eines Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­dar­fes inner­halb der letzten 2 Jahre nicht ein­ge­lei­tet und wird in weiterer Folge der Konkurs oder der Anschluss­kon­kurs eröffnet, tritt für Geschäfts­füh­rer (zusätz­lich zu anderen Scha­den­er­satz­an­sprü­chen) für die durch die Kon­kurs­mas­se nicht gedeck­ten Ver­bind­lich­kei­ten eine ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­ge Haftung bis zu € 100.000,- ein, wenn der Geschäftsführer

- einen Bericht des Abschluss­prü­fers erhalten hat, aus dem die Ver­mu­tung des Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­dar­fes her­vor­geht und nicht unver­züg­lich skiz­zier­tes Reor­ga­ni­sa­ti­ons­ver­fah­ren bean­tragt oder nicht gehörig fort­ge­setzt hat

oder

- einen Jah­res­ab­schluss nicht oder nicht recht­zei­tig auf­ge­stellt oder nicht unver­züg­lich den Abschluss­prü­fer mit dessen Prüfung beauf­tragt hat. (§ 22 URG)

Weder das HGB noch das GmbHG oder AktG ent­hal­ten Maßgaben, wonach ver­tre­tungs­be­fug­te Organe von Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten ver­pflich­tet wären, o.g. URG-Kenn­zah­len zu berech­nen. Ledig­lich der Abschluss­prü­fer ist im Rahmen der Prüfung ver­pflich­tet, diese Kenn­zah­len geson­dert anzu­ge­ben und darüber zu berich­ten, ob die Vor­aus­set­zun­gen eines Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­darfs vorliegen.

Die recht­li­chen Kon­se­quen­zen betref­fen folglich ledig­lich Organe von prü­fungs­pflich­ti­gen Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten. Organe kleiner GmbHs sind idR von den Haf­tungs­be­stim­mun­gen des URG ausgeschlossen. 

Die Haftung tritt nicht ein, wenn der Geschäfts­füh­rer unver­züg­lich nach Erhalt des Berich­tes des Abschluss­prü­fers ein Gut­ach­ten eines Wirt­schafts­treu­hän­ders ein­ge­holt hat, welches den Reor­ga­ni­sa­ti­ons­be­darf verneint.

:: Schluss­be­mer­kung

Aufgrund der hohen Kosten des Reor­ga­ni­sa­ti­ons­prü­fers, der Angst von Ruf­schä­di­gung bei Bekannt­wer­den und des unsi­che­ren Ausgangs wird dieses Ver­fah­ren bisher jedoch von der Wirt­schaft nicht ange­nom­men. Darüber hinaus handelt es sich bei o.g. URG-Kenn­zah­len zwar um in vielen empi­ri­schen Tests bestä­tig­te Varia­blen mit hoher Trenn­kraft und Signal­wir­kung, durch die fehlende Bran­chen­klas­si­fi­zie­rung und die offen­sicht­lich will­kür­lich fest­ge­leg­te Tole­ranz­gren­zen ver­lie­ren die URG-Kenn­zah­len jedoch an Aus­sa­ge­kraft. Das geprie­se­ne Instru­ment zur Insol­venz­pro­phy­la­xe, das als wesent­lichs­ter Bestand­teil des IRÄG 1997 gesehen wurde, stellt sich damit als untaug­lich heraus. In Hinblick auf ein in der Praxis gängiges (frei­wil­li­ges) Insol­venz­pro­gno­se­mo­dell wird auf die Manage­ment-Info 3/2004 verwiesen.

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